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Mehrsprachiges Demographisches Wörterbuch (erste Ausgabe 1960)

Zwangswanderung

Aus Demopædia
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Zwangswanderung  


Unter Zwangswanderung1 versteht man eine „Wanderung” (801-1), zu der die Betroffenen durch Gewalt oder Angst vor Gewalt gezwungen werden. Sie kann das Ergebnis einer Vertreibung2 (Austreibung2, Ausweisung2, Abschiebung2) sein. Die Betroffenen müssen ihren früheren Wohnort (801-3) aufgeben, ohne daß ihnen ein neuer zugewiesen würde. Evakuierung3 ist die planmäßige, nicht unbedingt zwangsmäßige Aussiedlung der gesamten Bevölkerung oder von Bevölkerungsteilen eines Gebietes bei Katastrophengefahr. Alle diese Zwangswanderer heißen Flüchtlinge4 (zutreffendenfalls auch Vertriebene4, Heimatverfriebene4). Unter Zwangsumsiedlern5 dagegen versteht man Zwangswanderer, denen neue Wohnsitze zugewiesen werden. Ein Sonderfall der Umsiedlung6 ist der Bevölkerungstausch7 (Bevölkerungsaustausch7), eine durch die herrschende Gewalt erzwungene „Gemeinschaftswanderung” (811-2) zum Zwecke gegenseitigen Austausches der Siedlungsgebiete, häufig von Nachbarstaaten zur volklichen Vereinheitlichung vorgenommen, um auf diese Weise Minderheitsprobleme (333-4) zu lösen.

  • 1. Bei „Vertreibung” einzelner, gewisser Bevölkerungsteile oder auch einer ganzen Bevölkerung spricht man von Massenzwangswanderung.
  • 2. Vertreibung, S. f. — vertreiben, V. t. — Vertriebener, P. P., als S. m.
  • 3. Evakuierung, S. f. — evakuieren, V. t. — Evakuierter, P. P. als S. m. Deportation, S. f., ist die Zwangsversetzung, Zwangsverschickung, S. f., einer Person oder von Personen als Strafmaßnahme, — deportieren, V. t. — Deportierter, P. P. als S. m.
  • 4. In der Bundesrepublik Deutschland sind die Merkmale der „Vertriebenen”, „Heimatvertriebenen” und „Flüchtlinge” im Bundesvertriebenengesetz definiert. Es muß deshalb zwischen dem rechtlichen und dem gewöhnlichen Sprachgebrauch unterschieden werden. Flüchtling, S. m. — Flucht, S. f. — fliehen, V. i.
    Politische Flüchtlinge werden auch „Emigranten” (802-4*) genannt. Im allgemeinen Sprachgebrauch werden den „Vertriebenen” die Einheimischen (Altansässigen) gegenübergestellt. Darunter werden im allgemeinen die in einem Gebiet Gebürtigen und die vor der Zuwanderung dort Wohnenden verstanden.
  • 5. D. P. (Displaced persons, versetzte Personen) waren zunächst die während des 2. Weltkrieges in den damaligen deutschen Machtbereich verbrachten Fremdarbeiter, denen von den westlichen Alliierten in ihrem Besatzungsgebiet, soweit sie nicht zurückkehren wollten, ein Sonderstatus zugebilligt wurde. Dieser wurde später auch anderen nichtdeutschen Flüchtlingen zuerkannt. Das Synonym verschleppt, P. P. von verschleppen, V. t., Verschleppung, S. f., bezeichnet eine rechtswidrige gewaltsame Entführung, z. B. durch Menschenraub, S. m.
  • 6. Umsiedlung, S. f. — umsiedeln, V. t.
    Umsiedler, S. m. (Ez. Umsiedler), sind die Teilnehmer an einer Umsiedlung; Umsiedler wird unkorrekt, aber häufig angewendet auf Teilnehmer an einer Familienzusammenführung; wird ferner im Sprachgebrauch der Regierung und der Presse der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands irreführend und euphemistisch für die deutschen „Vertriebenen” (812-4) verwendet.
    Eine besondere Maßnahme der „Bevölkerungsumsiedlung” ist die Bevölkerungszerstreuung, S. f. — zerstreuen, V, t. Sie dient dem Zwecke, die geschlossene Siedlungsweise einer Bevölkerung oder Bevölkerungsgruppe aufzuheben und ihre Glieder zerstreut in fremder Umgebung anzusiedeln. Die Bevölkerungszerstreuung kann zur Vernichtung eines Volkes führen (Genocidium); im Extremfall spricht man von Ausrottung eines Volkes oder Völkermord.
    Austausch, S. m. — austauschen, V. t.


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